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Rose Lowder, Bouquets
Mit Bouquets präsentiert die Kunsthalle Zürich die erste institutionelle Einzelausstellung der in Avignon lebenden Künstlerin und Experimental-
1941 in Lima, Peru, geboren, studierte Lowder dort Malerei und Skulptur und setzte ab 1960 ihr Studium an der Regent Street Polytechnic und der Chelsea School of Art in London fort. Parallel zu ihrer künstlerischen Ausbildung arbeitete sie zwischen 1964 und 1972 als Cutterin in der Film-
Ausgangspunkt der Ausstellung in der Kunsthalle Zürich bildet Lowders wohl bekannteste Arbeit: die 1994 begonnene Werkreihe Bouquets. Ursprünglich konzipiert, um Materialverschwendung zu vermeiden und die Endstücke von Filmrollen wiederzuverwerten, umfasst die Serie mittlerweile vierzig einminütige, stumme Filme, die als fortlaufende Studie über Komposition und Wahrnehmung zu insgesamt vier «Bildersträussen» gebündelt werden und in der Kunsthalle Zürich auf zehn grossformatigen Projektionen präsentiert werden. Wie in all ihren Filmen verwendet Lowder auch hier eine 16mm-
Während die einzelnen Filme jeweils nur sechzig Sekunden dauern, erstreckt sich der Produktionsprozess der jeweiligen Arbeiten über mehrere Stunden, Tage oder sogar Wochen – wodurch auch lange Zeiträume und jahreszeitliche Veränderungen der Natur sichtbar werden können. Ganz in der Tradition (post-
Um ihre Arbeit zu strukturieren, entwickelte Lowder ein rigoroses Notationssystem, das ergänzend zu den Bouquets in Vitrinen vorgestellt wird und zugleich Einblick in ihre filmische Praxis gibt. Präsentiert werden ausgewählte Transkriptionen der Bouquets – detaillierte Buntstiftzeichnungen auf Funktionspapier. Jede Sekunde wurde von der Künstlerin akribisch festgehalten, gegliedert in 24 Frames, drei Linien pro Einzelbild. Lowders Notizbücher dienen dabei als wertvolles Werkzeug zur Analyse ihres Arbeitsprozesses und verstehen sich zugleich als autonome Kunstwerke – Partituren und poetische Codes, die wie Lowders Filme «in Dialog mit der Realität» treten und eine Struktur offenlegen, die dem Auge gewöhnlich verborgen bleibt.
Die Bouquets zeugen jedoch nicht nur von Lowders anhaltendem Interesse an den materiellen Eigenschaften des Mediums, sondern auch von ihrem Verständnis von Film als ökologische Praxis. Natur erscheint in ihren Filmen nicht bloss als gegebenes «Draussen» oder als Projektion ihrer eigenen Eindrücke. Vielmehr sind ihre Filme fest im natürlichen Raum verankert – ein Raum, der nicht nur Motive bietet, sondern immer auch den Produktionsprozess und die Künstlerin selbst miteinbezieht. Lowders eigenes ökologisches Denken zeigt sich dabei an vielen Stellen: in ihrer ressourcenschonenden Produktionsweise, die auf Recycling statt Verschwendung setzt, ebenso wie in ihrem Engagement für ökologische Landwirtschaft. Ihre regelmässigen Besuche auf Biobauernhöfen sind nicht nur eine wesentliche Quelle für ihre Filme, sondern zugleich integraler Bestandteil ihres politischen Eintretens für alternative, nachhaltige Lebens-
Karol Palczak, Dzisiaj
Mit Dzisiaj präsentiert die Kunsthalle Zürich die erste institutionelle Einzelausstellung des polnischen Künstlers Karol Palczak. Die Ausstellung entfaltet sich um eine neue Serie von Ölgemälden auf Aluminium und Marmor, die ihre Verbindungspunkte im Heimatdorf des Künstlers, Krzywcza, im Südosten Polens sowie in der umliegenden Landschaft finden.
Seit über zehn Jahren widmet sich Palczak in seinen Gemälden seiner unmittelbaren Umgebung und studiert diese akribisch. Umgeben von Bergen und Tälern, ist die südkarpatische Region, die einst von jüdischen, christlich-
Ausgangspunkt der Ausstellung bilden drei grossformatige Gemälde einer brennenden Weide am Ufer des Sans – ein Sujet, das immer wieder in Palczaks Werk auftaucht. Während seine Motive meist auf Fotografien oder Videostills beruhen, die er selbst aufnimmt, erweitert er diese mitunter um fiktive Elemente wie Rauch oder Feuer. Dabei greift Palczak auf eine andere, unsichtbare Landschaft zurück: jene der lokalen Bräuche und Rituale, die er sorgfältig inszeniert – oder imaginiert –, um die düstere Stille seiner Umgebung zu durchbrechen. So verweist etwa das teilweise Ausräuchern und Verkohlen von Bäumen auf eine regionale Praxis, die dazu dient, diese zu «reinigen», damit sie im Frühling gesund nachwachsen können. Auch das Verbrennen von Strohpuppen, die die negativen Eigenschaften des Winters verkörpern, das er ebenfalls in einer neuen, zunehmend abstrakten Bildserie thematisiert, geht auf ein slawisches Frühlingsritual zurück, das besonders in ländlichen Regionen Polens bis heute lebendig ist. Diese Szenen, die teils von Gewalt durchzogen sind und auch als Akt der Befreiung verstanden werden können, entstehen in Zusammenarbeit mit Freunden und Nachbaren – einer Gemeinschaft, die in Palczaks Gemälden immer wieder selbst als Protagonistin erscheint und, mit dem Militär als wichtigstem Arbeitsgeber in der Region, von den geschlechtsspezifischen Folgen dieser Situation unmittelbar geprägt wird.
Eine weitere Werkgruppe bilden in Grautönen gehaltene Porträts junger Männer, deren absurde, scheinbar sinnlose Handlungen mit einer überraschenden Zärtlichkeit und Unmittelbarkeit zum Ausdruck gebracht werden. Mit überdimensionalen LKW-
Dass Zeitlichkeit in Palczaks Arbeit auf mehreren Ebenen eine Rolle spielt, spiegelt sich auch im Titel der Ausstellung Dzisiaj (dt. «Heute») wider. Der Fluss, seine Landschaft sowie deren Bewohner:innen sind nicht nur Realitäten, die Palczak Tag für Tag in seinen Gemälden dokumentiert, sondern auch stille Beobachtungsobjekte seiner Kamera. Die improvisierten, mitunter chaotischen Videoarbeiten, die Teil seines Arbeitsprozesses sind, offenbaren eine andere Dynamik seines Schaffens und erlauben ihm zugleich Bewegungsabläufe von Feuer, Rauch oder Wasser zu studieren und schliesslich in seine Malerei zu übersetzen. Seine Videos und Gemälde dokumentieren ambivalente Realitäten, die sich vor dem Hintergrund einer entvölkerten Region entfalten. Sie erzählen auf eindringliche Weise von Entfremdung und Langeweile. In Palczaks Arbeiten, wie auch in Krzywcza, scheint sich Zeit auszudehnen. Motive kehren wieder und wieder, bis sie technisch wie emotional erschöpft sind – gestern, morgen, und unausweichlich: heute.
A gauche: Rose Lowder, Bouquets 31-
Ausstellung 26 September. 2025 -
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