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Rose Lowder, Bouquets

Mit Bouquets präsentiert die Kunsthalle Zürich die erste institutionelle Einzelausstellung der in Avignon lebenden Künstlerin und Experimental-Filmemacherin Rose Lowder. Ausgehend von Lowders fortlaufender Serie Bouquets gibt die Ausstellung Einblick in die einzigartige Arbeitsweise der Künstlerin, die sich in ihren auf 16mm gefilmten Arbeiten mit Fragen von Nachhaltigkeit und visueller Wahrnehmung auseinandersetzt. Die Ausstellung zeigt erstmals alle Bouquets miteinander und setzt diese mit ausgewählten visuellen Transkriptionen – Zeichnungen, die der Künstlerin in ihrem komplexen Einzelbildverfahren zur Orientierung dienen – in Dialog.

1941 in Lima, Peru, geboren, studierte Lowder dort Malerei und Skulptur und setzte ab 1960 ihr Studium an der Regent Street Polytechnic und der Chelsea School of Art in London fort. Parallel zu ihrer künstlerischen Ausbildung arbeitete sie zwischen 1964 und 1972 als Cutterin in der Film- und Fernsehindustrie (etwa bei der BBC), wo sie erstmals direkt mit dem Medium Film in Berührung kam und Dokumentar- und Werbefilme editierte. Erst mit ihrem Umzug in ihre Wahlheimat Avignon im Jahr 1972 begann die Künstlerin, Film auch als künstlerisches Ausdrucksmittel zu erforschen. Sie entwickelte ein arbeitsintensives Einzelbildverfahren, das sie über Jahrzehnte fortgeführt und perfektioniert hat. Dabei arbeitet Lowder mit einer 16mm-Bolex-Kamera, die es ihr ermöglicht, jedes Bild einzeln aufzunehmen – ohne sich dem Regime der traditionellen Filmsequenz unterordnen zu müssen. Indem sie einzelne Frames überspringt und unbelichtet lässt, den Film anschliessend wieder zurückspult, um erneut zu filmen und dabei die noch leeren Frames zu bespielen, entwickelt Lowder ohne jegliche Nachbearbeitung komplexe Kompositionen, in denen Farben, Texturen, Perspektiven, Zeiten und Orte überlagert und miteinander verwebt werden. Ihr Objektiv richtet die Künstlerin oftmals auf Alltagsszenen sowie die Pflanzen- und Tierwelt an ausgewählten Orten (wie etwa Gärten oder ökologischen Bauernhöfen), die sie in ihrer unmittelbaren Umgebung in Südfrankreich oder auch in Italien und der Schweiz vorfindet.

Ausgangspunkt der Ausstellung in der Kunsthalle Zürich bildet Lowders wohl bekannteste Arbeit: die 1994 begonnene Werkreihe Bouquets. Ursprünglich konzipiert, um Materialverschwendung zu vermeiden und die Endstücke von Filmrollen wiederzuverwerten, umfasst die Serie mittlerweile vierzig einminütige, stumme Filme, die als fortlaufende Studie über Komposition und Wahrnehmung zu insgesamt vier «Bildersträussen» gebündelt werden und in der Kunsthalle Zürich auf zehn grossformatigen Projektionen präsentiert werden. Wie in all ihren Filmen verwendet Lowder auch hier eine 16mm-Bolex-Kamera, um die sie umgebende Natur – Blumen, Flüsse, Wälder und Tiere – im Einzelbildverfahren in Fragmente zu zerlegen und nach ihrem eigenen Rhythmusgefühl und ihrer persönlichen Logik neu zusammenzusetzen.

Während die einzelnen Filme jeweils nur sechzig Sekunden dauern, erstreckt sich der Produktionsprozess der jeweiligen Arbeiten über mehrere Stunden, Tage oder sogar Wochen – wodurch auch lange Zeiträume und jahreszeitliche Veränderungen der Natur sichtbar werden können. Ganz in der Tradition (post-)impressionistischer Maler:innen wie Morisot, Cézanne oder van Gogh arbeitet Lowder en plein air, nutzt jedoch statt Pinsel und Leinwand ihre Kamera, um Zeit und Bewegung in eine verdichtete Bildkomposition zu übersetzen. Ihre Auseinandersetzung mit der visuellen Wahrnehmung knüpft dabei an deren Funktionsweisen an und führt sie zugleich an ihre Grenzen. So kann eine orchestrierte Abfolge von Bildern eine Illusion von Bewegung erzeugen oder zu deren Verschmelzung oder Überlagerung führen, wie auch eine logische Beziehung zwischen ihnen hervorrufen, die unser Gehirn unwillkürlich herzustellen versucht.

Um ihre Arbeit zu strukturieren, entwickelte Lowder ein rigoroses Notationssystem, das ergänzend zu den Bouquets in Vitrinen vorgestellt wird und zugleich Einblick in ihre filmische Praxis gibt. Präsentiert werden ausgewählte Transkriptionen der Bouquets – detaillierte Buntstiftzeichnungen auf Funktionspapier. Jede Sekunde wurde von der Künstlerin akribisch festgehalten, gegliedert in 24 Frames, drei Linien pro Einzelbild. Lowders Notizbücher dienen dabei als wertvolles Werkzeug zur Analyse ihres Arbeitsprozesses und verstehen sich zugleich als autonome Kunstwerke – Partituren und poetische Codes, die wie Lowders Filme «in Dialog mit der Realität» treten und eine Struktur offenlegen, die dem Auge gewöhnlich verborgen bleibt.

Die Bouquets zeugen jedoch nicht nur von Lowders anhaltendem Interesse an den materiellen Eigenschaften des Mediums, sondern auch von ihrem Verständnis von Film als ökologische Praxis. Natur erscheint in ihren Filmen nicht bloss als gegebenes «Draussen» oder als Projektion ihrer eigenen Eindrücke. Vielmehr sind ihre Filme fest im natürlichen Raum verankert – ein Raum, der nicht nur Motive bietet, sondern immer auch den Produktionsprozess und die Künstlerin selbst miteinbezieht. Lowders eigenes ökologisches Denken zeigt sich dabei an vielen Stellen: in ihrer ressourcenschonenden Produktionsweise, die auf Recycling statt Verschwendung setzt, ebenso wie in ihrem Engagement für ökologische Landwirtschaft. Ihre regelmässigen Besuche auf Biobauernhöfen sind nicht nur eine wesentliche Quelle für ihre Filme, sondern zugleich integraler Bestandteil ihres politischen Eintretens für alternative, nachhaltige Lebens- und Filmweisen.


























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Karol Palczak, Dzisiaj

Mit Dzisiaj präsentiert die Kunsthalle Zürich die erste institutionelle Einzelausstellung des polnischen Künstlers Karol Palczak. Die Ausstellung entfaltet sich um eine neue Serie von Ölgemälden auf Aluminium und Marmor, die ihre Verbindungspunkte im Heimatdorf des Künstlers, Krzywcza, im Südosten Polens sowie in der umliegenden Landschaft finden.

Seit über zehn Jahren widmet sich Palczak in seinen Gemälden seiner unmittelbaren Umgebung und studiert diese akribisch. Umgeben von Bergen und Tälern, ist die südkarpatische Region, die einst von jüdischen, christlich-orthodoxen und katholischen Gemeinschaften bewohnt war, heute von einer Stimmung der Leere und Stille geprägt. Palczaks Werke – Stillleben, Landschaften und Szenen mit wiederkehrenden Protagonisten – offenbaren meist übersehene Details in der wirtschaftlich angespannten, zunehmend entvölkerten und militarisierten Umgebung seines Heimatorts Krzywcza. Auch die Ufer des Flusses San, der durch das Dorf fliesst und seit dem Zweiten Weltkrieg die Grenze zwischen Polen und der Ukraine markiert und die Region politisch wie kulturell prägte, rückt oftmals in den Fokus seiner naturgetreuen, beinahe fotorealistischen Werke.

Ausgangspunkt der Ausstellung bilden drei grossformatige Gemälde einer brennenden Weide am Ufer des Sans – ein Sujet, das immer wieder in Palczaks Werk auftaucht. Während seine Motive meist auf Fotografien oder Videostills beruhen, die er selbst aufnimmt, erweitert er diese mitunter um fiktive Elemente wie Rauch oder Feuer. Dabei greift Palczak auf eine andere, unsichtbare Landschaft zurück: jene der lokalen Bräuche und Rituale, die er sorgfältig inszeniert – oder imaginiert –, um die düstere Stille seiner Umgebung zu durchbrechen. So verweist etwa das teilweise Ausräuchern und Verkohlen von Bäumen auf eine regionale Praxis, die dazu dient, diese zu «reinigen», damit sie im Frühling gesund nachwachsen können. Auch das Verbrennen von Strohpuppen, die die negativen Eigenschaften des Winters verkörpern, das er ebenfalls in einer neuen, zunehmend abstrakten Bildserie thematisiert, geht auf ein slawisches Frühlingsritual zurück, das besonders in ländlichen Regionen Polens bis heute lebendig ist. Diese Szenen, die teils von Gewalt durchzogen sind und auch als Akt der Befreiung verstanden werden können, entstehen in Zusammenarbeit mit Freunden und Nachbaren – einer Gemeinschaft, die in Palczaks Gemälden immer wieder selbst als Protagonistin erscheint und, mit dem Militär als wichtigstem Arbeitsgeber in der Region, von den geschlechtsspezifischen Folgen dieser Situation unmittelbar geprägt wird.

Eine weitere Werkgruppe bilden in Grautönen gehaltene Porträts junger Männer, deren absurde, scheinbar sinnlose Handlungen mit einer überraschenden Zärtlichkeit und Unmittelbarkeit zum Ausdruck gebracht werden. Mit überdimensionalen LKW-Schläuchen und mit nacktem Oberkörper auf dem Hinterhof des Künstlers posierend, wenden die Männer den Blick von den Betrachter:innen ab und hantieren mit den schwarz-glänzenden Objekten, die ihnen sonst als Schwimmreifen im Fluss dienen. Ein auf Marmor gemaltes Stillleben mit Aalen – geheimnisvolle Wesen, die ebenfalls im San vorkommen – greift die glatten Oberflächen und Formen der Schläuche wieder auf. Was zunächst wie ein Ausdruck fast bedrohlicher Maskulinität erscheint, erweist sich vielmehr als Darstellung der Erfahrung jener, die in der zunehmend verlassenen subkarpatischen Region zurückgeblieben sind und ihren Alltag zu bewältigen haben. Palczaks Gemälde – auf dünne Metallplatten gemalt, die auf die sarmatische Tradition der im 17. und 18. Jahrhundert gebräuchlichen Sargporträts verweisen – zeugen sowohl von existenzieller Unruhe als auch von dem Bedürfnis, ebendiese darzustellen. Als Zeuge und zugleich Teil dieser Geschichte spricht Palczaks malerische Praxis von der Verbindung zwischen Modernisierung und Landschaft – und tut dies mit bemerkenswerter Sensibilität und Beobachtungsgabe.

Dass Zeitlichkeit in Palczaks Arbeit auf mehreren Ebenen eine Rolle spielt, spiegelt sich auch im Titel der Ausstellung Dzisiaj (dt. «Heute») wider. Der Fluss, seine Landschaft sowie deren Bewohner:innen sind nicht nur Realitäten, die Palczak Tag für Tag in seinen Gemälden dokumentiert, sondern auch stille Beobachtungsobjekte seiner Kamera. Die improvisierten, mitunter chaotischen Videoarbeiten, die Teil seines Arbeitsprozesses sind, offenbaren eine andere Dynamik seines Schaffens und erlauben ihm zugleich Bewegungsabläufe von Feuer, Rauch oder Wasser zu studieren und schliesslich in seine Malerei zu übersetzen. Seine Videos und Gemälde dokumentieren ambivalente Realitäten, die sich vor dem Hintergrund einer entvölkerten Region entfalten. Sie erzählen auf eindringliche Weise von Entfremdung und Langeweile. In Palczaks Arbeiten, wie auch in Krzywcza, scheint sich Zeit auszudehnen. Motive kehren wieder und wieder, bis sie technisch wie emotional erschöpft sind – gestern, morgen, und unausweichlich: heute.

Rose Lowder, Bouquets
27.09.2025 - 04.01.2026

Karol Palczak, Dzisiaj

26.09.2025 - 18.01.2026
Kunsthalle, Zürich (Schweiz)

A gauche: Rose Lowder, Bouquets 31-40 (still), 2014–22. Courtesy Rose Lowder and Lightcone. A droite: Karol Palczak, Drzewo płonące (Burning Tree) (still), 2022.

A gauche: Rose Lowder, Bouquets 31-40 (still), 2014–22. Courtesy Rose Lowder and Lightcone. A droite: Karol Palczak, Drzewo płonące (Burning Tree) (still), 2022.

Ausstellung 26 September. 2025 - 18.Januar 2026. Kunsthalle Zürich, Limmatstrasse 270 - CH-8005 Zürich (Schweiz). Öffnungszeiten ; Montag  geschlossen. Dienstag, Mittwoch, Freitag, Samstag, Sonntag  11–18 Uhr - Donnerstag  11–20 Uhr




 





 



























 





 











Trevor Yeung, Underwater Haze, Kestner Gesellschaft, Hanover  (Deutschland)

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